Treis-Karden - Bullay

Heute bin ich ein bisschen schlauer als gestern und starte ein ganzes Stück früher ... wodurch ich mehr Zeit für so viel Blöd habe, dass ich abends Thomas anrufe und ihn bitte, mich sofort abzuholen (was ja nur etwa drei Stunden dauern würde). Das liegt aber nicht am Weg, sondern ganz alleine an meiner Dummheit. Aber schön der Reihe nach.

 

Der Tag beginnt ja auch ganz gut. Der Weg zum Kloster Maria Engelport ist so schön! Aber ich hätte nicht in die Kirche hineingehen sollen.

 

Kennt ihr das: Es gibt Kirchen, die guckt man sich halt an, Kirchen, in denen hat man so ein schönes, warmes Gefühl, und Kirchen, da kommt einem alles hoch. Ich weiß jetzt nicht, ob das an den Kirchen oder an der eigenen Stimmung liegt. Ich denke, es ist von beidem ein bisschen etwas. Aber das bringt mich hier jetzt gerade gar nicht weiter. Ich bin nur froh, dass ich alleine bin.

Hinterher bin ich irgendwie total ausgesubbelt. Ich setze mich an der Grotte auf eine Bank und habe zum ersten Mal heute den Gedanken: Ich will nach Hause! Ich habe solches Heimweh, dass es mir fürchterlich schwerfällt, weiterzugehen.

 

Dabei wäre es wirklich strunzdoof gewesen, wenn ich am Kloster schon aufgegeben hätte, denn hinter ihm geht er so verwunschen schön an einem Bach weiter - da geht mir doch glatt wieder das Herz auf. Es ist sooo schön hier!

 

In Beilstein ist die Klosterkirche für mich wieder mehr ein Anguckgotteshaus. Nicht schlimm, Gefühligkeit hatte ich für heute schon mehr als genug. Und als ich im Café sitze und an meinem Macchiato schlabbere, habe ich schon fast wieder vergessen, dass ich eigentlich jetzt schon auf dem Heimweg sein könnte.

 

Auf Beilstein war ich fürchterlich gespannt, weil ich ganz viele Schwärmereien gehört habe. Eigentlich wollte ich auch, ich getrau's mich gar nicht zu sagen, gestern (ähemähem) hier übernachten. Also schlendere ich erwartungsfroh zum Marktplatz, der wirklich richtig schön ist, die nächste Gasse entlang und bin - schwups - schon wieder draußen aus Beilstein. Es ist halt wirklich nur ein sehr kleiner Ort.

Gleich hinter Beilstein kommt meine erste, nicht letzte, aber schlimmste Verlaufung für heute: Weil ich, ordentlich wie ich bin, auf der linken Straßenseite laufe und irgendwie mit dem Kopf ganz woanders bin, übersehe ich die Muschel, die nach rechts in den Wald nach 500 m an die Stelle führt, an die ich nach etwa 4 km auf der Landstraße auch komme. 4 km, zwischen Autos, bei Sonnenschein, auf einer Landstraße und ohne zu wissen, wo ich überhaupt lang muss. Fragt nicht, wie begeistert ich bin! Wenn an der nächsten Straßenverzweigung überhaupt einmal jemand auf mein Winken reagiert, kann der mir nicht sagen, wo ich denn nun weiter lang muss. Na klar, die kennen nur Straßen (das würde mir hier daheim ganz ähnlich ergehen). Zwei schicken mich sehr warmherzig wieder zurück nach Beilstein (Hallo! Das sind  nicht nur   die 4 km wieder   zurück, sondern würde



es ja noch schlimmer machen, dass ich die überhaupt hierhergelaufen bin!) und dann an der Mosel entlang (was aber nun gar nicht stimmen kann, weil ich 1. weiß, dass der Camino nicht an der Mosel weitergeht und 2. die Muscheln ganz eindeutig nicht zur Mosel zeigten). Ich könnte ... (ich sag es nicht, aber "heulen" ist es nicht, weil dafür bin ich viel zu verärgert!).

 

Schließlich entscheide ich mich für rechts und kriege nach einiger Zeit aber so was von einem Kropf, weil ich da den Muschelweg aus dem Wald kommen sehe und ein Schild mit der Zahl 500 m nach unten zeigt. 500 m! Durch den Wald! Himmelkreuzdonnerwetternochmal!!!! (Tschuldigung.)

Ein Stückchen weit schaffe ich es, weiterzugehen, ohne mich zu verlaufen, aber nicht lange: An der Straße nach Grenderich gehe ich fröhlich und zutiefst überzeugt immer schön geradeaus, bis ich am Ortsanfang merke, dass mich hier keine Muschel einfängt. Da kommt ein jüngerer (naja, also jünger als ich, was ja nun nicht mehr sooo schwer ist, auch wenn ich das um alles in der Welt nicht wahrhaben will) im Auto, hält an und erklärt mir: Oh, da hätte ich ganz da vorne nicht auf dem Fahrradweg weitergehen, sondern die Straße überqueren und dann nach rechts weg gemusst. Na klasse! Vielen Dank auch!

 

Nein, wirklich vielen Dank!, denn der Herr packt mich in sein Auto und fährt mich dorthin zurück, wo ich die Abbiegung verpasst habe, erklärt mir so ungefähr, wie ich gehen muss, und wünscht mir noch einen guten Weg. Das ist so lieb!

 

Als ich endlich in Bullay ankomme, ist es schon nach 20.00 Uhr. Ich falle in die nächste Kneipe ein, um mein Handy an eine Steckdose zu hängen, denn der Akku hat sich längst ins Nirwana verabschiedet (dabei hielt ich es bis heute immer für einen Schmarrn, wenn jemand behauptete, er hätte nicht telefonieren können, weil der Akku leer war. Akku leer! Diese Ausrede ist ja genauso dämlich, wie die stehengebliebene Uhr früher!). Auf Marienburg, wo ich so gerne übernachtet hätte, erreiche ich um diese Zeit nur noch den Anrufbeantworter, also trinke ich schnell eine Cola, schleppe mich dann kreuz und quer durch Bullay

und klingele bei den Häusern, die Gästezimmer anbieten. Dann rufe ich Thomas an und sage, er muss mich sofort (also in etwa drei Stunden) hier abholen, weil ich bleibe hier keine Sekunde länger! "Besetzt", "kein freies Zimmer" - das sind noch die netten Antworten, die ich an den Türen bekomme. "Sie sind spät" - ja, Heideröslein!, gerade weil ich spät bin, wäre es doch nur zu freundlich, mir ein Bett zu geben! Und besonders nett: "Es wäre ihnen eh zu teuer" - Ich hab ja gar nicht nach einem Preis gefragt! Der interessiert mich gerade so was von gar nicht, ich will nur duschen und schlafen!

Irgendwo muss ich jetzt diese drei Stunden überbrücken - und in der Kneipe, in der ich anfangs war, tu ich das ganz bestimmt nicht! Der Wirt war ziemlich ... komisch. Ob ich mein Handy in die Steckdose stopfen wolle? - Ihr versteht nicht was er meinte? Ich auch nicht. - Er hätte doch kein Kabel für mich. - Ach so! Das hab ich doch selbst dabei. Wie kommt der auf die Idee, dass ich keins habe? - Ob ich nicht ein Zelt dabei hätte? - Hä?, ein Zelt? - Ob ich aus Schweden käme? - Kinders, es mag ja sein, dass mein Hochdeutsch nicht überall gut verstanden wird, aber ausländisch hört es sich nun wirklich nicht an! - Neee, da gehe ich nicht wieder hin. Da finde ich eine griechische Gaststätte, an der steht auch "Zimmer" dran uuuuuuund, ihr glaubt es nicht: Die haben ein Zimmer für mich und ein Bett und eine Dusche und etwas zu essen (aber Apetit habe ich gerade nicht viel) und zu trinken. Und die Dame ist so nett! Also rufe ich Thomas wieder an, sage ihm, dass er doch nicht zu kommen braucht (der ist schon bei Mannheim und macht einen Schlenker zu den Jungs) und falle totmüde ins Bett - nur ein bisschen ruhen und dann nie wieder bewegen!

 

Von wegen, nie wieder bewegen: Ich kann meine Beine legen, wie ich will, sie hören einfach nicht auf wehzutun! Ich wälze mich von Seite zu Seite, immer in der Angst, dass das nicht gerade stabil wirkende Bett unter mir nicht zusammenkracht, und finde keine Ruhe. Nee, Kinders, das ist heute wirklich nicht mein Tag!

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