Koblenz - Alken



Ob es nun daran liegt, dass er mir diesen Weg von Herzen gönnt, oder daran, dass er sich selbst die Ruhe vor mir von Herzen gönnt - wer weiß. Jedenfalls fährt er trotz meiner Einwände ins Parkhaus direkt unter der St. Menaskirche und wir steigen erst einmal aus, rauchen eine Zigarette, schauen der Welt beim Untergehen zu und - ähm - müssen hätte ich eh mal gemusst.

 

Als ich zumindest in dieser Beziehung erleichtert den nächsten Blick hinaus auf die Straße werfe, sind da jede Menge riesige Wasserpfützen ... aber die liegen alle ganz ruhig in der Gegend herum. Da tropft nix mehr hinein. Es hat aufgehört zu regnen und die Wolken ... natürlich sehen die gar nicht mehr so schwer und duster aus, können sie ja nicht, weil das meiste Wasser ja hierunten ist. Hm. Und jetzt?

 

Ich möchte zumindest mal gucken, wo die Muschelstele ist, von der der Mosel-Camino losgeht.

Das war ein Fehler! Weil jetzt bin ich schon bis hier (ca. 20 m) gelaufen und zurückgegangen wird nicht (doch, aber nur kurz, um meinen Rucksack zu holen). An der Stele verabschiede ich mich für die nächsten sieben Tage von Thomas; er hat weder eine Regenjacke noch feste Schuhe dabei und mit seinen Sandalen ist es nicht wirklich prickelnd für ihn, mich auf meinen ersten Metern zu begleiten (ein Schelm, wer dabei Böses denkt!) (neinneinnein, dass hier ein solches ...wetter auf uns wartet, damit haben wir wirklich nicht gerechnet).

 

Ich schlendere an der Menaskirche vorbei zur Burg Stolzenfels. Während ich auf die Führung warte, genehmige ich mir ein Pilgerfrühstück und einen kleinen Spaziergang durch die nicht allzugroße Außenanlage (die Burg steht ja vorne auf einem Fels, da ist nicht viel mit viel Platz drumherum).


Die Führung ist total lustig: Wir müssen zuerst in Filzpantoffel schlupfen, damit wir mit unseren Straßentretern nicht die alten Parkettböden zerkratzen. Von Gehen kann erst einmal keine Rede sein, es ist eher wie Schlittschuhlaufen - wir gleiten. Nur das Eis fehlt und die Schmerzen am Gesäß, wenn die Erdanziehungskraft mal wieder stärker als der Wille war.

Hier hat es mich ein bisschen besonders im Bauch gegrubbelt: In den Gemächern der Gemahlin Elisabeth von Bayern geht man in den Türen unter den behütenden Händen von Engeln hindurch! Wie könnte ein Jakobsweg schöner beginnen?!

 

Aber nach der Führung geht es nun doch und endgültig los. Es bleibt mir auch gar nichts anderes übrig, denn Thomas ist längst auf der Heimfahrt und inzwischen schon gaaanz weit weg.

 

Ich muss es jetzt einfach mal sagen: Die, die den Mosel-Camino markiert haben, haben sich so viel liebevolle Mühe gegeben, das ist echt der Hammer! Anfangs findet man die Muschel und gelbe Pfeile an Nistkästen, Insektenhotels und Fledermauskisten, später hauptsächlich an Bäumen. Wenn da mal kein Baum war, dann hat der Markierer auch mal den Fußboden oder einen Betonmast hergenommen. Auf dem letzten Stück vor Trier ist die Muschel Teil von Wanderwegweisern - es ist klasse! Man kann sich schier nicht verlaufen (also, ich meine, ich konnte das schon, aber ich hab halt auch eine besodnere Veranlagung dazu).

Der Weg führt am Merkurtempel und an Waldesch vorbei durch Wäler, Wiesen und Felder. Meine Füße laufen sich warm und mein Bauch kriegt so dieses Caminofeeling: Ich bin auf dem Weg! Schade ist nur, dass die wenigen Menschen, denen ich begegne, mir nicht buen Camino! wünschen, aber dafür verstehe ich sie auf Anhieb und muss nicht erst lange in meinem Kopf nach der deutschen Übersetzung suchen. Das hat auch etwas.

Die Wallfahrtskirche Bleidenberg kurz vor Alken gefällt mir so gut, dass ich eine ganze Weile in ihren kühlen Mauern sitze. Ihr habt es euch sicher schon von den Bildern gedacht: Es hat nicht mehr geregnet und ist ein richtig schöner, sonniger Tag geworden. Und kleine Kirchen mag ich eh lieber als große. Ich finde, die haben mehr Gefühligkeit. Man spürt die Gedanken, die Gebete der Menschen. Da fühlen sich die eigenen Gedanken und Gebete gleich so wohl, dass sie aus einem herauswollen, um es sich zwischen ihren Kumpels bequem zu machen. Ich mag das.


Ich sitze noch ein Weilchen bei einer älteren Dame auf einer Bank und gucke mit ihr ins Moseltal. Wir schwätzen ein bisschen über Gott und die Welt, dann wird es Zeit, mich auf den "Weg der sieben Kniefälle" nach unten zu machen.

Den Namen mit den sieben Kniefällen hat der Pfad nicht von ungefähr - also einmal davon abgesehen, dass es ein Kreuzweg ist. Wenn man nicht schon unterwegs sieben Kniefälle macht, weil man ausrutscht, macht man sie spätestens, wenn man unten ist, dankbar dafür, dass man heil heruntergekommen ist.


Gleich links auf der gegenüberliegenden Straßenseite werde ich bereits von den Eppelsheimers erwartet, die auf einen Aufruf des Pfarrers hin ein Zimmer in ihrem Haus als Pilgerzimmer eingerichtet haben. Ach, ihr findet das lieb? - Ha!, dann müsstet ihr erst einmal das Frühstück sehen, das ich am nächsten Morgen bekomme und die schönen Gespräche erleben!


Liebe Eppelsheimers,

wenn Sie das hier vielleicht irgendwann aus Versehen lesen sollten: Noch einmal ganz vielen lieben Dank für alles! Es war so schön bei Ihnen! Der Apfel war für mich echt Gold wert! Ich habe mich am nächsten Tag ein bisschen übernommen (oh, hatte ich eine große Klappe! ... bevor ich ganz mickrig in einem Eckchen saß und nicht mehr konnte) - da habe ich Ihnen mit jedem Bissen ein dickes Dankeschön geschickt!

Nachdem ich mich frisch gemacht habe (lach! Oh, ich liebe das!: ankommen, duschen und die  Wäsche mit der Hand auswaschen - daheim käme ich nie auf die Idee, meine Unterhose mit der Hand zu schrubben!), mache ich noch einen Spaziergang durch den Ort und zur St. Michaelskirche. Die Treppe zu ihr hinauf mit den Kreuzwegstationen ist so schön und lauschelig! ... Und dann ist man oben und wird von alten Schädeln und Knochen begrüßt, denn direkt links kann man ins Gebeinhaus gucken, das sich unter der gesamten Kirche befinden. Das ist schon ein bisschen gruselig. Aber gut, ich habe es ja unbedingt sehen wollen.

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