Schweich - Trier

Das Pilgerfeeling, das ich gestern nicht mehr bekommen habe, kriege ich heute mit dem Frühstück serviert, denn am Tisch hinter mir sitzt ein Paar, das auch auf dem Weg nach Trier ist. Kurzerhand ziehe ich mit Tasse, Teller und frischen Brötchen zu ihnen um und wir haben ein sehr lustiges und nettes Frühstück.


Durch alle möglichen Vororte von Trier hindurch und an einem Jakobus-Brunnen vorbei (dass gleich um die Ecke auch eine Jakobuskirche ist, sehe ich leider erst später im Internet, aber das ist gar nicht schlimm, denn dieser Camino ist so schön, dass ich ihn ganz bestimmt noch einmal gehen werde) komme ich zu einem Höhenweg, der noch einmal richtig stramm nach oben geht und das so schön findet, dass er damit gar nicht aufhören will. Von hier hat man aber einen tollen Blick auf Trier, das noch ein bisschen versonnen und gemütlich im Tal liegt.


Mit versonnen und gemütlich ist es dann aber schnell vorbei. Als ich an die Straße komme, die zur Brücke über die Mosel und hin zur Stadt führt, kriege ich einen richtigen Alltagsflash: Hier sind so viele Autos, es ist so laut und es stinkt gewaltig nach Abgasen. Neeeee! Ich darf nicht wieder zurück! Ich muss da durch!



Hinter der Brücke führen die Muscheln zum Radweg direkt an der Mosel entlang hinunter und dann immer geradeaus. Ich schiebe einen dicken Hals: Eigentlich will ich da gar nicht lang. Ich will nicht auf Asphalt laufen, sondern auf schönen weichen Wegen, und eigentlich will ich auch gar nicht ankommen. Ich will nicht, dass dieser schöne Weg endet - und dann auch noch auf einem Radweg! Und dann auch noch so weit! Der Weg scheint gar kein Ende nehmen zu wollen!


Ich bin so grummelig, dass ich am Ende tatsächlich nicht mitkriege, dass ich an der Kirche St. Matthias längst vorbeigelaufen bin. Irgendwann wundere ich mich nur, dass ich keine Muscheln mehr sehe, schalte mein GPS an und sehe, dass ich irgendwo da hinten wohl die Abzweigung verpasst habe. Jetzt bin ich erstrecht grummelig, so!


Also wieder zurück und wieder nach oben zur Straße und ... Ich erkenne St. Matthias gar nicht so wirklich, weil sie nicht aussieht, wie eine Kirche gefälligst auszusehen hat, sondern mehr wie eine Festung. Aber das ist wirklich das Kloster und ich bin wirklich angekommen.


Als ich die Kirche betrete, bin ich zum Glück alleine. Da war schon die ganze Zeit etwas in meinem Hals, was jetzt dringend heraus muss und das muss außer mir keiner mitkriegen. Als ich mich wieder eingefangen und kräftig die Nase geputzt habe, merke ich, dass inzwischen ganz hinten doch ein Herr steht. Der war vorher noch nicht da und hat sich wohl sehr diskret im Hintergrund gehalten. Ich schicke ihm in Gedanken ein Dankeschön und steige zur wunderschönen Krypta hinunter, in der der steinernerne Sarg des Apostels steht.




Apostel? Hä? Aber der war doch gar kein .... - Jein. Er gehörte zum engsten Kreis von Jesus, wurde aber erst nach dessen Tod per Losentscheid Apostel und nahm den Platz von Judas Ischariot ein. Sein Grab hier ist das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen.


Nachdem ich mir im Klostershop noch meinen letzten Stempel habe geben lassen, stelle ich mich - ich bin ja jetzt irgendwie kein Pilger mehr, sondern angekommen und ab sofort nur noch Tourist - an eine Haltestelle und fahre von dort mit dem Bus zur Porta Nigra. Es ist schon ein komisches Gefühl, aber nicht unlustig!




Eigentlich möchte ich noch ein bisschen die Stadt genießen. Ich hab Trier schon immer gemocht! Aber irgendwie sind mir die Menschen rundherum fast ein bisschen viel und ich bin noch nicht auf Schlendermodus umgestellt. Mein Stadtbummel ähnelt also eher einem Durchdiestadthetzen (naja, so schnell ich eben hetzen kann, was für andere nicht unbedingt heißen muss, dass das ... aber lassen wir das). Aber Thomas, auf den ich warte, dass er mich abholt, weil wir das Wochenende bei einem lieben Pilgerfreund mit ganz vielen anderen ganz lieben Pilgerfreunden verbringen werden, steht im Stau und so habe ich ganz viel Zeit, mich langsam aber sicher wieder auf Alltag, Trubel und Menschen einzustellen.


Tja, meine Lieben, das war nun also mein Mosel-Camino - ein Camino zum Genießen! Die Wege sind klasse, führen allermeistens durch die Natur und nur ganz selten an Straßen, durch die wunderschön romantischen Orte direkt am Fluss und "zwischendurch" über alle Höhenmeter, die zwischen seinen Schleifen liegen. Er ist einfach klasse!


Abspann!

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Kommentare: 2
  • #1

    Rudolf Harald Walter (Möchtegernpilger) (Donnerstag, 26 Oktober 2017 00:39)

    Danke liebe Andrea für Deinen eindrucksvollen Bericht, der mich unwiderstehlich einlädt, mich auch einmal in Deutschland auf einen Camino zu machen...
    Buen Camino!

  • #2

    Sabine (Montag, 04 Dezember 2017 08:15)

    Hola
    Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen. Dein Bericht macht Lust auf mehr, aufs selberpilgern, schauen und erleben.
    Leider liege ich zur Zeit mit operiertem Fuß im Bett, aber der Plan steht.
    Camino, ich komme.
    Danke für die Inspiration und das “mit auf die Reise nehmen“
    Buon camino
    Sabine